Blaulichtgottesdienst in der Evangelischen Erlöserkirche in Adenau

 

 

In dem jährlich stattfindenden Blaulichtgottesdienst treffen sich meist Mitglieder von Polizei, Feuerwehren, Rettungsdiensten. Im Gottesdienst hieß Pfarrer Holger Banse seinen Amtskollegen Friedemann Bach willkommen. In diesem Jahr wandte sich der Gottesdienst vor allem an die Mitglieder der Notfallseelsorge. 

 

Besuchern am Nürburgring sind sie sicher oft aufgefallen, die Männer und Frauen in den früher gelben, heute violett-farbigen Jacken, beschriftet mit „Notfallseelsorge“, gelegentlich mit „Psychosoziale Versorgung“, da gibt es nur sprachlich einen Unterschied, der Einsatzzweck ist identisch. Auch wenn der Name der Notfallseelsorge am Nürburgring der Evangelischen Kirchengemeinde Adenau eine Konfessionsgebundenheit vermuten lassen könnte, handelt es sich längst um eine ökumenisch ausgerichtete Gruppe.

 

 „Wir sind für Sie da“ soll durch die auffällige Kleidung ausgedrückt werden. Aktiv werden die Notfallseelsorger bei schweren Verkehrsunfällen mit Toten, bei Suiziden, bei Großschadensereignissen oder Katastrophen, auch bei Verbrechen gegen die Person; immer dann wenn Menschen neben technischer oder notärztlicher Hilfe auch seelischen Beistand brauchen. „Erste Hilfe für die Seele“, wurde als Stichwort genannt. Betroffene, Angehörige, aber auch Zeugen und nicht zuletzt die oft bis an die Grenzen der Belastbarkeit arbeitenden Helferinnen und Helfer bedürfen der notseelsorgerischen Betreuung.  

 

Anlaß für den diesjährigen Gottesdienst in der Erlöserkirche war der Beitritt der Notfallseelsorge am Nürburgring der Evangelischen KirchengemeindeAdenau zum Notfallseelsorge-System Bad Neuenahr-Ahrweiler. Die Kooperation soll für beide Seiten eine Vereinfachung und Verbesserung der anspruchsvollen Arbeit mit sich bringen. Vor allem schafft die Kooperation eine Entlastung für das Notfallseelsorgeteam aus der Kreisstadt im Bereich der Verbandsgemeinde Adenau. Beide Systeme gehören jetzt dem Katastrophenschutz im Landkreis Ahrweiler an. Gelegentlich werden weiterhin Abstimmungen erforderlich sein, denn die Helfer aus Kelberg gehören verwaltungstechnisch der Verbandsgemeinde Kelberg und damit dem Vulkaneifelkreis an. Historisch bedingt ist die Evangelische Kirchengemeinde Adenau identisch mit der ehemaligen Verwaltungseinheit Kreis Adenau, der Kelberg einschloss.

 

Das Adenauer Team besteht derzeit aus zehn Mitgliedern, im kommenden Jahr wird sich die Zahl auf zwölf erhöhen. Es wurde als sehr sinnvoll angesehen, dass vor allem die aufwendige Arbeit am und um den Nürburgring weiterhin von den erfahrenen Kräften aus dem Adenauer Bereich vor Ort erfolgen soll. Die Alarmierung erfolgt gemeinsam über die Integrierte Leitstelle in Koblenz, so dass auch das Adenauer Team jeweils zuverlässig über erforderliche Einsätze informiert ist. Das Adenauer Team bleibt aber auch in der arbeitserleichternden Kooperation als bewährte eigenständige Gruppe erhalten, wie Pfarrer Banse, selbst aktiv als Notfallseelsorger im Einsatz,  bestätigt.

 

Gegründet wurde die Notfallseelsorge am Ring im Jahre 1997 vom seinerzeitigen evangelischen Pfarrer Johannes Mann und von Joachim Müller-Lange, zu den ersten Mitgliedern zählte Familie Häfner aus Kelberg. Anlaß waren die frühen Veranstaltungen von „Rock am Ring“. In der Anfangsphase traten oft Unfälle auf, nicht nur im Verkehrsbereich. Von Todesfällen betroffen waren auch kleine Kinder. Der Bedarf an speziell ausgebildeten Notfallseelsorgern war erkennbar, es wurden geeignete Kräfte gesucht.

 

Wer sind die Menschen, die sich als Notfallseelsorger bereithalten? Es sind Menschen, die ehrenamtlich bereit sind in ihrer Freizeit für in Not geratene Menschen da zu sein, ihnen Beistand zu geben, sie in außergewöhnlicher Lage zu betreuen, bis in der Folge weitere Hilfe organisiert werden kann. Die Notfallseelsorger stammen aus allen Berufsgruppen, aus unterschiedlichen Altersgruppen, unterschiedlichen Konfessionen, es sind Männer wie Frauen. Gemeinsam ist ihnen der Wille Menschen in Not zu helfen, für sie da zu sein. Die Arbeit beschränkt sich im Wesentlichen auf seelischen Beistand als Ersthilfe, eine weitere erforderliche psychosoziale oder psychologische Versorgung muss im Regelfall durch entsprechend ausgebildete Fachärzte erfolgen. „Das können wir nicht leisten“, so die Notfallseelsorgerin Sabine Hollender.    

 

 „Es ist sehr schwierig Eltern den Tod ihres Kindes zu vermitteln oder einem Ehepartner den Tod des anderen Partners, das erfordert großes menschliches Einfühlungsvermögen“, so der Notfallseelsorger Thomas Brost, „wir übermitteln die schreckliche Nachricht zusammen mit einem Politeibeamten“. Aufwendige Schulungen etwa an der Landesfeuerwehrschule in Koblenz oder beim DRK Wittlich bieten wertvolle Hilfe, geben fachliches Rüstzeug. „Und wir haben festgestellt, dass ein Alter von etwa 25 Jahren für den Einsatz sinnvoll ist, es gehört unbedingt Lebenserfahrung und eine in sich bereits gefestigte Persönlichkeitsbildung dazu“, haben die Helfer erkannt. Die Fähigkeit zur Selbst- und Fremdwahrnehmung ist vonnöten, ebenso ein sozial gut integriertes Umfeld. „Wir müssen gelegentlich einfach nur zuhören können, auch das hilft im Einsatzfall“, wandte ein Teilnehmer der Gesprächsrunde ein.

 

Die Reaktionen von Menschen, denen der Tod eines nahestehenden Menschen mitgeteilt wird, sind schwer vorhersehbar. Von völliger Apathie bis zu hektischer Aktivität, vom Kollabieren bis zu Weinkrämpfen sind unterschiedlichste Reaktionen möglich. „Das geht auch an die eigene Substanz“, wissen die Notfallseelsorger, „es verlangt trotz intensiver Schulung große Kraft, dem standzuhalten“, bestätigen sie.

 

„Die persönliche Belastung für den Helfer ist hoch“, so pflichtet Johannes Koch bei, „da ist eine Nachbereitung eines Einsatzes im Team oder eine Supervision zum Selbstschutz manchmal unumgänglich“. Teamarbeit ist hilfreich. Der Eigenschutz spielt eine große Rolle, tatsächlich hat jeder Helfer im Laufe der Zeit eigene Wege entwickelt, um schreckliche Erlebnisse bewältigen zu können. „Manchmal hilft einfach ein langer Schlaf, ein Spaziergang mit dem Hund, Ablenkung durch Gespräche mit Freunden“, hieß es. Es bleibt je nach Situation eigene Betroffenheit, gelegentlich ein Gefühl von Hilflosigkeit angesichts des erlebten Leids anderer Menschen. Empathiefähigkeit und eigene psychische Stärke sind erforderlich um die Bilder des Schreckens und das Leid von Betroffenen und Angehörigen verarbeiten zu können. In sehr seltenen Fällen scheidet ein Helfer auch mal auf eigenen Wunsch aus, weil er erkennt den Belastungen nicht dauerhaft gewachsen zu sein.

 

Eine Besonderheit sind Einsätze bei Unfällen am Nürburgring, bei denen Ausländer beteiligt sind, hier sind zusätzlich Sprachprobleme zu meistern. Und zunehmend sind Einsätze unter Beteiligung von Menschen anderer Kulturen an der Tagesordnung, auch hier ist besonderes Einfühlungsvermögen gefragt. „Hier müssen wir uns teils neu orientieren, auf neue Vorgehensweisen einstellen, müssen kulturspezifische Besonderheiten berücksichtigen“, weiß Hans-Gerd Gerhards.  

 

Die Notfallseelsorger arbeiten im Team, es gibt keine Hierarchie untereinander, ein organisatorisches Übereinkommen ist geboten. Die Finanzierung des Adenauer Notfallseelsorgeteams erfolgt nach wie vor zum ganz überwiegenden Teil aus Spenden bei der Veranstaltung „Anlassen“ am Nürburgring.     

 

Fotos:  Werner Dreschers