Liebe Spenderinnen und Spender,                                                                                          Adenau, Mitte August 2021

 

es ist für uns alle noch immer unfassbar, dass ein so idyllisch dahinfließender Fluss wie die Ahr, zu einem solch mörderischen Monster werden kann: Uralte Brücken, die Orte miteinander verbanden und Schwerlastverkehr von A nach B brachten, sind weggerissen worden als seien sie aus Pappe gewesen. Häuser, in denen Menschen lebten und glücklich waren, stehen da wie Puppenhäuser: Die Fronten sind weggerissen und sie geben ihr gespenstisch leeres Innenleben preis, in dem kein Bett mehr steht, kein Stuhl kein Tisch. Viele sind schon markiert, was bedeutet, dass sie abgerissen werden müssen. Dixi-Klos säumen die Straßen, da die Kanalisation in weiten Teilen des Gebietes nicht funktioniert. Wasser wurde und wird in 1000 Liter Containern in die Orte gefahren oder von der Bundeswehr geflogen. Panzer rollen und schieben den Schutt auf Seite: Haushoch türmten sich entwurzelte Bäume, Gastanks, Kühlschränke, Wohnwagen, Dinge des Lebens. Wir sehen Bilder, die kein Mensch sehen sollte, hören Geschichten, die kein Mensch hören – geschweigen denn erleben sollte. Sie brennen sich in das Gedächtnis einer ganzen Gesellschaft in diesem Landstrich ein. Doch das Allerschlimmste sind die Verluste von Mensch und Tier. In der vergangenen Woche haben wir eine fünfköpfige Familie (drei minderjährige Kinder), die noch gar nicht lange in einem unserer Orte wohnten, zu Grabe getragen. Die Flut hat sie mitsamt ihrem Haus hinweggerissen. Auch als Mensch, der fest im Glauben verankert ist, kommt man bei diesen Dingen ins Wanken.

 

Was hilft? (Notfall-) Seelsorgerinnen und Seelsorger vor Ort, die mit den Menschen sprechen, die zu trösten versuchen, oder einfach nur die Hand halten. Freiwillige Helferinnen und Helfer aus der ganzen Republik, die zum Teil mit schwerem Gerät anrücken und nicht fragen, sondern einfach anpacken. Unmengen an Kleidung und Sachspenden, die zu verwalten eine fast nicht zu bewältigende neue Herausforderung wurde. In den Orten organisieren sich diejenigen, die nicht betroffen sind und kochen. Hotels und Besitzer*innen von Ferienwohnungen sowie Privatpersonen stellen Wohnraum für die nun Obdachlosen zur Verfügung. Unsere Landeskirche schickt Pfarrerinnen und Pfarrer zur Unterstützung der Ortspfarrer*innen in die Region. Unser örtlicher Rotary-Club konnte (neben vielem anderen) aus der Schweiz 100 Bautrockner organisieren, die Rotary Schweiz spendete, während in ganz Deutschland keine mehr zu bekommen sind. Navis e.V. aus Bayern kommen nach Ahrbrück auf unser Kirchengelände. Sie wohnen in unserem Gemeindehaus (das nebenbei bemerkt auch betroffen ist) und sie bereiten hunderttausende Liter Wasser auf, stellen Duschen in Zelten auf – sie werden von der Bevölkerung „die Wasserengel aus Bayern“ genannt. Sie machen das ehrenamtlich, nehmen ihren Urlaub dafür, feiern Überstunden ab.

 

Und Menschen spenden. Menschen wie SIE, die ganz persönlich Leid mindern wollen. Kirchengemeinden, die spontan Kollekten umwidmen, Kinder, die ihr Taschengeld spenden. Viel Geld kommt in dieser Zeit zusammen und wird uns anvertraut. Diese Solidarität und Hilfsbereitschaft - auch die persönlichen Worte, treiben uns manchmal die Tränen in die Augen oder verursachen eine Gänsehaut. Und wir sind dankbar, dass wir schon viel von diesen Spenden ganz und gar unbürokratisch direkt vor Ort – in der Regel durch mich persönlich - verteilen konnten. Jetzt, da die Hilfen der öffentlichen Hand anlaufen, werden wir uns voraussichtlich auf die Härtefälle konzentrieren. Viele, die keine Elementarversicherung für das Haus hatten, geschweige denn für das Inventar (Wer weiß denn schon so was? Und wer glaubt, dass er das braucht, wenn er weit weg wohnt von der Ahr?). Zeitnah werden wir im Presbyterium darüber beraten, wie wir fair, transparent und wirklich sinnvoll helfen können. Immer steht auch der persönliche Kontakt zu den Menschen mit im Vordergrund.

 

Und wir beten. Im Gottesdienst, abends zuhause, in unseren Gemeindegruppen, weil wir der festen Überzeugung sind, dass Beten hilft – denen die beten und jenen, denen das Gebet gilt.

 

Heute danke ich Ihnen im Namen der gesamten Kirchengemeinde, im Namen aller, die Hilfe empfangen, für Ihre freundliche Zuwendung, für Ihr Interesse an uns, für Ihre finanzielle und ideelle Unterstützung. Ohne all das, wäre es nicht zu schaffen.

 

Wir wollen uns bemühen, immer wieder auf unserer Homepage neue Berichte einzustellen…. Vielleicht können wir Sie auf diesem Weg ein wenig auf dem Laufenden halten. Hier finden Sie auch einen Hinweis auf einen Hilfe-Link, unter dem Sie erfahren können, wie Sie – abgesehen von Ihrer finanziellen Unterstützung – weiterhelfen können.

Persönlich/telefonisch/per Mail erreichen Sie uns tatsächlich im Moment eher schlecht. Aber wir sind sicher, dass Sie uns das nicht übelnehmen, sondern nachvollziehen können, dass unsere Aufgaben im Moment so vielfältig sind, dass die Kommunikation etwas zu kurz kommt.

 

Noch einmal: Unser Dank an Sie kommt aus vollstem Herzen.

 

Viele herzliche Grüße aus Adenau,

 

 

 

Pfarrerin Claudia Rössling-Marenbach